Der neue Plan für Sindelfingen

„Quirlige Altstadt“ statt Gastro-Wüste

Neue Kneipen, Cafés und andere Gastro-Angebote sollen künftig in der ganzen Altstadt erlaubt werden. Dafür legt die Sindelfinger Stadtverwaltung einen neuen Bebauungsplan vor.Das bisher geltende Gastronomie-Verbot für die Kernbereiche der Altstadt soll aufgehoben werden.

 

Wir, die Initiative “Wir-alle-sind-die-Stadt”, haben die Diskussionen um die neue “quirlige Altstadt”, ausgelöst durch ein Interview der Sindelfinger Zeitung mit unserem Oberbürgermeister Dr. Vöhringer, sehr aufmerksam verfolgt.

Wir fürchten, dass durch die aktuellen Gastronomiepläne der Stadtverwaltung alle anderen Funktionen ausgeblendet werden, die unsere historische Altstadt bieten könnte und durch die sie erheblich sehens- und lebenswerter werden könnte.
Außerdem werden Anwohner vor den Kopf gestoßen, die für viel Geld ihre Altstadthäuser saniert haben, diese aufwendig renovieren und täglich in Schuss halten.
Wir sind der Meinung, dass die angedeutete Diskussion um die Funktionen, die der Altstadt eine Bedeutung für die Gesamtstadt Sindelfingen geben können, deshalb so wichtig ist, weil erst danach sinnvoll kreative Maßnahmen entwickelt werden können, die die reale Stadtstruktur und -gestaltung betreffen.

Um welche Funktionen für die Sindelfinger Altstadt könnte es gehen?
Wir sehen sie zum Beispiel als buntes Abbild der gestalterischen, politischen und kulturellen Vergangenheit als Oberamtsstadt; auch als Beispiel für eine integrative, tolerante Weise des Zusammenlebens, sich das um seine Umgebung bewusst kümmert; oder als Refugium handwerklicher und kunsthandwerklicher Werkstätten, die woanders nicht mehr überleben können.
Und aus genau solchen Überlegungen heraus können dann konkrete Maßnahmen entwickelt werden:

zum Beispiel klare verkehrsplanerische Entscheidungen; dann aber auch kurz-, mittel- und langfristige Aussagen zur baulichen Weiterentwicklung der Altstadt; dazu gehören deutlich formulierte Nutzungsmöglichkeiten (z.B. Handwerk, Läden, Cafés, Restaurants, Dienstleistungen etc. betreffend).

Und schließlich nennen wir die Gestaltung  und Aufwertung kleinerer, fest umrissener Bereiche – wie es z. B. “die Burg” oder der “Serenadenhof” sind.
Das alles würde durch die bloße Auffüllung der Altstadt mit Kneipen und Bars und Restaurants erschwert,

wenn nicht unmöglich gemacht. Zu dieser Analyse gehören die Fragen, ob sich denn die Verwaltung mal an eine aktuelle Analyse gemacht hat, warum im Umfeld der Langen Straße Wohnungen an „Normalfamilien“ kaum zu vermieten sind?

Warum so viele saisonale Bauarbeiter in der Altstadt wohnen, die sich um die städtebauliche Bedeutung  ihres Umfelds keine Gedanken machen können?

Warum in den letzthin sanierten Häusern eher Büros und Praxen zu finden sind, die am Freitagnachmittag schließen und nicht durch Familien bewohnt werden!?
Die Stadt wischt mit ihrer Idee einer „Altstadtgastronomie“ solche schwierigen, aber notwendigen Diskussionen beiseite. Wir deuten solche Diskussionen aber noch einmal in konkreter Frageform an:

Soll die Altstadt zu einem kreativen historischen Zentrum der Stadt entwickelt werden, das den Ansprüchen der
„Deutschen Fachwerkstraße“ gerecht werden kann?

Oder: Kann das Stadtmuseum in der Altstadt durch einen innovativen, technologisch aktuellen Ausbau ein Beispiel für die Verbindung von Geschichte und den Strukturen des 21. Jahrhunderts werden?

Könnte dadurch die Altstadt auch eine „quirlige“ Anlaufstelle für ein junges Publikum werden, das auf technologisch kreative Art etwas über die Geschichte seiner Stadt erfährt?

Wie können Interessenten unterstützt werden, die es wagen wollen, mit Werkstätten und Läden die Altstadt
zu einem Refugium kleiner, aber interessanter Läden zu machen, die nur im geschützten und gestützten Umfeld der Altstadt ihr buntes Leben entwickeln können?

Und schließlich noch die Frage:

Können die Gassen und Plätze der Altstadt zu einem Schaufenster vielfältiger kunsthandwerklicher oder künstlerischer Arbeiten werden, die sich ästhetisch interessant auf das historische Städtchen Sindelfingen beziehen – also als reizvolle Erinnerungen und Hinweise wirken?
All diese Beispiele zeigen natürlich sofort, dass die Diskussion über solche Funktionen und vor allem deren mögliche konkrete Umsetzung ein großer Kraftakt sein wird, der einen enormen Verwaltungsaufwand erfordern wird – besonders auch, wenn historische Strukturen der Altstadt aufgegriffen werden sollen.

Diesen Kraftakt kann die Stadt nur mit einem mittel- und langfristigen „Projekt Altstadt“ schaffen, das mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wird.

Unsere Vermutung ist aber, dass die Stadtverwaltung dies nicht vorhat – auch weil dort kaum noch jemand einen tieferen, emotionalen Zusammenhang mit der Stadt besitzt.

Typisch dafür ist, dass die vorläufigen „Visionen“, die zum Beispiel im Internet zu finden sind, alle miteinander keine konkreten Gestaltungsvorschläge machen, die über die Nutzung von Blumenkübeln hinausgehen.
So entsteht unserer Meinung nach fast logisch als „revolutionäre“ Idee die Veränderung der Bebauungspläne und damit die öffentliche Aufforderung, die Altstadt gastronomisch aufzuwerten; man akzeptiert, dass damit die „quirlige“ gastronomische Welt des Wettbachplatzes in die Altstadt hinein erweitert wird, während typischerweise die beliebte, uralte Sindelfinger Traditionswirtschaft „Hirsch“, von der sich die Stadt verabschiedet hat, seit fünf Jahren verschlossene Türen aufweist.
Deshalb wird der Gemeinderat eine Grundsatzentscheidung treffen müssen:
Wird der Wettbachplatz in die Altstadt hinein erweitert und belässt man in der Folge die Grundsatzdiskussion um die Altstadt weitgehend bei dieser Entscheidung – oder fordert man von der Stadtverwaltung Verfahrensvorschläge, die die Altstadt zu einem interessanten und reizvollen „historischen Zentrum“ entwickeln sollen – auch wenn dieses nicht kostenlos zu
haben ist?

Wir glauben, dass nur dann, wenn solche klaren Zukunftsaussagen zum Planungsgebiet existieren, Immobilienbesitzer, Anwohner, Initiativen und eventuelle Sponsoren bereit sein werden, weitergehende Planungen finanziell und tatkräftig zu unterstützen.
Nebenbei: Bei den Summen, die bisher in das Projekt „Sindelfingen macht Mitte“ gesteckt worden sind, ist man bisher sehr großzügig gewesen.

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